Situation in Deutschland

Einleitung

Zunehmend ist der Begriff der Allergie in den letzten Jahrzehnten in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt. Wer hat noch nichts vom Anstieg allergischer Krankheiten gehört - das sind wohl die wenigsten. Viele erleben dies am eigenen Leib, entweder vorübergehend, in regelmäßigen Abständen oder sogar dauerhaft.
40 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland leiden ein- oder mehrmals im Laufe ihres Lebens an einer allergischen Erkrankung, das heißt jeder zweite bis dritte Erwachsene.

Krankheitsbilder

Die allergischen Krankheitsbilder sind in Form und Ausprägung sehr unterschiedlich. Allergien können ganz verschiedene Organe betreffen wie die oberen Atemwege, die Lunge, die Haut oder den Magen-Darm-Trakt.

All diesen Organen gemeinsam ist jedoch die Verbindung zur Außenwelt. Allergien nehmen ihren Ausgang von den sogenannten Grenzflächen des Körpers. Das Immunsystem macht plötzlich mobil gegen eigentlich harmlose Umweltstoffe oder Nahrungsmittel. Der Körper entwickelt eine Überreaktion, die sich als Heuschnupfen, Asthma bronchiale, Neurodermitis oder Nahrungsmittelallergie zeigen kann.

Insbesondere bei diesen vier Erkrankungen, die auch als atopische Krankheitsbilder bezeichnet werden, spielt die Vererbung eine wichtige Rolle. Weitere allergologische Krankheitsbilder sind die Urticaria (Nesselsucht), die Bienen- und Wespengiftallergie mit dem allergischen Schock, eine Erkrankung der kleinen Lungenbläschen (allergische Alveolitis), Medikamentenallergien, Latexallergie und Kontaktekzeme. Die beiden letzten Erkrankungen spielen besonders im Berufsleben eine sehr wichtige Rolle.

Zahlen und Trend

In den letzten Jahrzehnten ist ein deutlicher Anstieg zumindest bei den häufigsten Krankheitsbildern zu verzeichnen. Dieser Trend ist weltweit und insbesondere in den Industrienationen zu erkennen. Die Häufigkeit von Asthma, Heuschnupfen oder Neurodermitis schwankt zum Teil erheblich in den einzelnen Länder. Die Zahlen in Deutschland liegen jeweils im oberen bis mittleren Drittel.

Untersuchungen in den 90er Jahren zeigten beim Heuschnupfen der Erwachsenen innerhalb von knapp 10 Jahren einen Anstieg der Häufigkeit um 70 Prozent (1990/92 10 Prozent; 1998 17 Prozent). Diese häufig verharmloste Erkrankung kann bei 30 Prozent der Betroffenen in einem Bronchialasthma enden.
Ansteigende Krankheitshäufigkeiten sind auch beim Asthma zu verzeichnen. Bei der Neurodermitis wird aus anderen europäischen Ländern ebenfalls über ansteigende Zahlen berichtet.

Besonders besorgniserregend ist die Situation bei den Kindern. Allergien gehören hier bereits zu den häufigsten chronischen Erkrankungen. Sie können einen Menschen lebenslang begleiten. Als sogenannte "Allergiekarriere" wird der Wechsel von Neurodermitis bzw. Nahrungsmittelallergie zum Heuschnupfen und Asthma bronchiale bezeichnet, die sich mit zunehmendem Lebensalter entwickeln kann. Insgesamt leiden in Deutschland 2 bis 5 Prozent der Kinder an einem vom Arzt festgestellten Bronchialasthma, aber mehr als doppelt so viele Kinder klagen über pfeifende Atemgeräusche. Die Diagnose Asthma scheint also zu selten gestellt zu werden. Bis 10 Prozent der älteren Kinder leiden bereits an einem Heuschnupfen und bei 6 bis19 Prozent wird eine Neurodermitis festgestellt.

Ein weiteres Problem stellen die Kontaktallergien dar. Über einen anderen Mechanismus als beim Asthma und Heuschnupfen kann die Haut gegen Stoffe, die mit ihr in Kontakt kommen, allergisch reagieren. Dies zeigt sich als Ekzem, das am häufigsten an den Händen auftritt. Die häufigsten Substanzen, die hierbei Allergien verursachen, sind Nickel und Duftstoffe. Kontaktallergien spielen besonders bei beruflich bedingten Hauterkrankungen eine sehr wichtige Rolle.

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Mögliche Ursachen

Was sind nun die Ursachen der Entwicklung? Diese Frage lässt sich bisher noch nicht beantworten, es existieren derzeit jedoch verschiedene Hypothesen. Die genetische Empfindlichkeit ist zwar ein wichtiger Teilfaktor bei der Entstehung von Allergien, sie kann aber den ansteigenden Trend in den letzten Jahren nicht erklären.

Sehr wichtig sind die Beobachtungen, dass es deutliche Unterschiede in der Häufigkeit von Allergien zwischen Ost- und Westdeutschland gab und zum Teil immer noch gibt. Asthma und Heuschnupfen sind häufiger in den alten Bundesländern anzutreffen. Dies spricht für den Einfluss von Umweltfaktoren. Zusammenfassend scheinen Faktoren bei der Allergieentstehung eine Rolle zu spielen, die unter dem Begriff des "westlichen Lebensstils" zusammengefasst werden können.
Einflüsse können hierbei die Isolierung von Wohnungen, die zu einem vermehrten Wachsen von Hausstaubmilben und Schimmelpilzen führt, vermehrter Gebrauch von Teppichböden, häufigere Haustierhaltung, vielfältige und zum Teil exotische Lebensmittel, häufigeres Reisen, Stress, aber auch eine geringere Geschwisterzahl spielen.

Bei der Allergieentstehung ist einerseits der Kontakt zu den entsprechenden Allergenen wichtig, andererseits scheint das Immunsystem durch eine insgesamt geringere Anregung schneller "auf Abwege" geraten zu können. Möglicherweise ist das geringere Auftreten von Infektionen gegen Bakterien und Parasiten ein Grund dafür, dass der Körper seine Abwehrkräfte vermehrt gegen harmlose Substanzen richtet.

Dies alles sind bisher noch Hypothesen. Eine abschließende Beurteilung der möglichen Einflussfaktoren auf den Trend der Allergieentwicklung ist derzeit noch nicht möglich.

Ausblick

Abgesehen von den hohen volkswirtschaftlichen Kosten, die durch Allergien entstehen, handelt es sich oft um Erkrankungen, die die Lebensqualität des Betroffenen stark einschränken, die zu Komplikationen führen und die vor allem einen chronischen Verlauf nehmen können.

Ohne wirksame Gegenmaßnahmen muss mit einem weiteren Anstieg der Allergierate gerechnet werden. Die Therapiemöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren zunehmend verbessert. Auf der anderen Seite spielt die Vorbeugung bei Allergien eine entscheidende Bedeutung, insbesondere die so genannte Primärprävention, die bereits vor dem Auftreten der Erkrankung wirksam wird. Empfehlungen zur Primärprävention sind zum Beispiel das Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten und der Verzicht auf Tabakrauch bereits in der Schwangerschaft.